Das Klima verändert sich und die Umweltverschmutzung der Luft, des Bodens und des Meeres nimmt stetig zu. Unser Selbstversuch dient dazu, wieder selbst gesteuert frische Lebensmittel, wie Gemüse und Kräuter, für den Eigenbedarf zu produzieren.
Dadurch können wir frischer und gesünder genießen und produzieren weniger Verpackungsmüll. Außerdem versuchen wir mit unserem Selbstversorger Balkongarten durch hydropponischen Anbau, Wasser einzusparen und auf Herbizide und Pestizide zu verzichten.
In diesem Bericht wollen wir nochmals alle unsere Erfahrungen zusammenfassen und veröffentlichen.
Wir fassen zusammen, wie viel und was wir alles hydroponisch angebaut haben. Dazu gehört auch der Strom-, Dünger- und Wasserverbrauch. Wir gehen darauf ein, was gut und was weniger gut funktioniert hat. Wir berichten darüber, wie wir uns und unser Einkaufsverhalten über diese Zeit verändert haben.
Unsere Leitsätze sind ja "Einen Garten für die, die keinen Garten haben" und "Mach es für dich und die Umwelt".
Seid gespannt, was für Ergebnisse wir euch präsentieren.
Über das gesamte Jahr 2019, ca. von April - November, haben wir insgesamt gut 135 kg Gemüse, Salate und Kräuter aus unserer "Hydroponik" geerntet.
Die effektive Anbaufläche auf unseren 2 Balkonen betrug 6,5 m². Das heißt, unsere Pflanzen haben 6,5 m² Platz eingenommen. Wie ihr in den Blogbeiträgen sehen könnt, war aber noch genügend Freiraum vorhanden, um den Balkon normal zu nutzen. Unser Ziel von 200 kg haben wir aber nicht ganz erreicht.
Warum 200 kg? Wir hatten gelesen, dass jeder Mensch ca. 100 kg Gemüse, Salate usw. pro Jahr zu sich nehmen sollte. So ist die Zahl von 200 kg für zwei Personen entstanden. Was wir in unserer Euphorie nicht berücksichtigt hatten war, dass wir z.B. keine Äpfel oder Wurzelgemüse angebaut haben, also alles, was richtig Gewicht hatte. In 6 Monaten Haupterntezeit 200 kg ernten - da haben wir uns also verschätzt.
Man müsste "jeden Tag" ca. 1,1 kg ernten. Wer kann jeden Tag 1,1 kg Gemüse, Kräuter, Salate verarbeiten / essen?
Um zu demonstrieren, wie die Menge sich im Verhältnis zum Gewicht darstellt, haben wir Fotos gemacht und in unserem Juli-Bericht veröffentlicht. Wenn wir heute von 200 kg reden wissen wir besser, was das für eine Menge an Pflanzenmaterial ist. Aber dennoch haben wir uns verschätzt.
Dennoch sind wir mit unserem Ergebnis von gut 135 kg hochzufrieden. Da wir keine Vegatarier sind war das, was wir geerntet haben, mehr als genug für 2 Personen. Wir hatten in der Ernte-Hochphase sogar dankbare Nachbarn und Freunde mit Salaten, Paprikas, Gurken, Tomaten etc. versorgt - da wir Überproduktionen hatten, die wir nicht mehr bewältigen konnten. Ab September hatten wir auch nicht mehr alle Pflanzlöcher besetzt, da es uns einfach zu viel wurde.
Das einzige Gemüse, was wir zukauften, waren Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln und sonstiges Wurzelgemüse und natürlich Äpfel oder Birnen.
Vorneweg gesagt - ein gewisses Interesse und Engagement für so ein Selbstversorger Projekt sollte vorhanden sein. Sei es aus ökologischen oder ernährunstechnischen Gründen, oder was auch immer.
Unsere Hauptgründe waren:
Ich möchte was für mich tun, nämlich mich frisch und gesund ernähren und das ökologisch sinnvoll.
Außerdem sollte der Anbau für uns machbar sein.
Machbar heißt - wir haben keinen Garten, aber zwei Balkone. Wir sind beide berufstätig, also haben nur bedingt Zeit. Wir sind öfters privat und geschäftlich auf Reisen, es mußte trotzdem funktionieren. So war der Hydroponik Anbau für uns die ideale Lösung.
Unsere Wahl viel auf den automatisierten, hydroponischen Anbau. Alle Pflanzgefäße wurden über einen zentralen Wassser-/ Nährstoffbehälter versorgt. Einzelnen Pflanzgefäße, z.B. die vertikalen Pflanzsäulen, wurden zusätzlich über kleine Wasserpumpen Zeitschaltuhr gesteuert versorgt. Das komplette System wurde über Zeitschaltuhren so automatisiert, dass wir die Pflanzen, wenn nötig (Urlaub) ca. 10 Tage sich selbst überlassen konnten.
Ein richtiger Aufwand war es, immer für genügend Pflanzennachwuchs zu sorgen - immerhin hatten wir 320 Pflanzlöcher. Hier bestand die Herausforderung in der Plannung, wann was reif war für die Ernte und wann diese Pflanzen durch neue ersetzt werden mußten. Hier hatten wir so unsere Probleme im Timing. Das schöne Wort Biodiversität bekommt dann eine neue Bedeutung, wenn man von einem zuviel und vom anderen zuwenig hatte. Wird aber nächste Jahr sicher besser.
Die laufende Pflege beschränkte sich im wesentlichen auf die Messung der EC- und pH-Werte mittels Hand-Messgerät und die Anpassung durch Düngen oder pH-Wert absenken. Die Pflanzen mußten natürlich auch mal ausgeschnitten oder angebunden werden, wie es bei Pflanzen halt notwendig ist.
Vor Schädlingen wurden wir weitestgehend verschont. Nur der Kohlschmetterling machte uns etwas zu schaffen. Den liesen wir aber einfach gewähren. Blattläuse hatten wir ganz selten, anfangs mal bei Asia Salaten. Durch die filigrane Struktur sind sie prädestiniert für Blattläuse. Pflanzenschutzmittel waren nie im Einsatz.
Es hört sich vielleicht übertrieben an, aber in der Hochphase der Erntezeit Juli / August hatten wir am meisten mit dem Ernten zu tun und damit verbunden, der zeitnahen Verwertung der Ernte. Also wer nicht gerne kocht sollte die Finger von solchen Projekten lassen. Denn jeder, der Pflanzen anbaut, wird tunlichst vermeiden, auch nur ein Blatt zuviel wegzuwerfen. Auch das haben wir wieder gelernt - zu wissen, wie hoch der Aufwand ist, Lebensmittel anzubauen. Wir haben nun noch mehr Respekt vor Lebensmitteln. Sachen, die man bei immer vollen Supermärkten aus dem Bewußtsein verliert.
Alles hat gut funktionierte, in 7 Monaten Laufzeit hatten wir nur 2 größere Störungen. Einmal wurde ein Versorgungschlauch für den oberen Balkon durch einen Kürbis, der über den Schlauch gewachsen war, herausgezogen. Das andere mal war ein Rohr in einer Pflanzsäule durch zu großes Wurzelwachstum verstopft. In beiden Fällen wurde das Problem rechtzeitig bemerkt, so dass es zu keinen Pflanzenverlusten kam.
Es gibt sehr viele DIY Bauanleitungen immer Internet zu dem Thema Hydroponik Pflanzsysteme. Günstiger geht also immer. Da wir mit unserem Blog den Hydroponik-Anbau und unseren Shop www.küchenfrisch.de bekannter machen wollten, haben wir möglichst viele Produkte verwendet, die es bei uns zu kaufen gibt. Wir wollten zeigen, wie was funktioniert, um Vertrauen in unsere Produkte zu schaffen.
Nur bei den Pflanzsystemen, die wir selbst noch nicht im Angebot hatten, wurde zum DIY-Verfahren gegriffen. Ein Beispiel dafür ist das Balkongeländer NFT, die modifizierten Deep Water Behälter oder unsere DWC-Pflanzkästen mit Rankgitter. Wir haben immer darauf geachtet, dass alles, was an Hardware zum Einsatz kommt, frei von schädlichen Stoffen, wie Weichmachern, ist. Um sicher zu sein, dass wir alles richtig gemacht haben, wurden Proben zu einem Lebensmittellabor zur Analyse geschickt. Ergebnis: Es konnten keinerlei Weichmacher nachgewiesen werden (siehe auch weiter unten Geschmack und Analyse).
Auch wichtig war für uns (besonders meiner Frau), dass das, was zur Hydroponik Pflanzanlage gehört, sich optisch in das vorgegebene Ambiente einpasst und dass die Balkone noch ihre ursprüngliche Bestimmung der Wohlfühloase erfüllen konnten.
Bei unserem Projekt kamen zum Einsatz
---------------------
Insgesamt Platz für 320 Pflanzen
Die einmaligen Investitionskosten für 320 Pflanzlöcher lagen zwischen 1500 - 1800 Euro. Da die Hydroponik-Anlage jedes Jahr von neuem benutzt werden kann, relativieren sich die Kosten. Mit den Erfahrungen, die wir gemacht haben, reichen wahrscheinlich auch 240 Pflanzlöcher für 2 Personen und unsere Anspüche vollkommen aus.
Für unser Balkongarten Projekt war es natürlich auch wichtig zu erfassen, welche laufenden Kosten entstehen. Die Wassermenge haben wir über einen Wasserzähler ermittelt und den Stromverbrauch anhand der angegebenen Watt-Zahl und der Laufzeit berechnet. Den zugegebenen Dünger und das pH-Mittel zur pH-Regulierung haben wir bei jeder Zugabe dokumentiert und zum Projektende addiert.
In der Tabelle sind die verschiedenen Verbrauchswerte aufgeführt, in der Summe 225 EUR für 7 Monate bequemes Gärtnern und Ernten von gut 135 kg leckerem, abwechlungsreichen Grünzeug.
Wir haben den Verbrauchsvergleich beim Wasser mit dem Garten meiner Eltern nochmals erstellt, wie schon im Juli im Blog geschehen - die Einsparung von ca. 75 % Wasser hat sich bestätigt. Grandios!
Während der 7 Monate haben meine Eltern ca. 25 m³ Wasser benötigt - wir nur 6,2 m³. Da wir dieses Jahr alles unter Kontrolle haben wollten haben wir bewusst auf Regenwasser verzichtet, das kann aber zukünftig geändert werden.
Beim Dünger haben wir nur ca. 70% der empfohlenen Menge zugegeben. Wir haben haben nicht absichtlich Dünger reduziert sondern den Pflegeaufwand gering gehalten und nur ca. alle 14 Tage gemessen und Dünger zugegeben. Es ist trotzdem alles super gewachsen, weitere Optimierungen sind dennoch möglich. Nicht mit aufgeführt sind die verwendeten Samen und Substratmaterial.
Leider gibt es nach wie vor manchmal Vorbehalte, dass der hydroponische Anbau "unnatürlich" sei und die Kräuter, Salate und Gemüse auch nicht so gut schmecken, wie beim Anbau in Erde. Wir haben uns bei der geschmacklichen Bewertung bemüht, nicht voreingenommen zu sein und haben zusätzlich viele Testesser aus der Bekanntschaft um Ihre Meinung gefragt.
Fazit: Der Geschmack von hydroponisch angebauten Kräutern, Salaten und Gemüsen ist sehr gut, sogar eher intensiver.
Das zweite viel diskutierte Thema sind Weichmacher aus Kunststoffen in Lebensmitteln. Beim Aufbau des Systems haben wir darauf geachtet, nur Kunststoffe, die im Lebensmittelbereich eingesetzt werden, zu verwenden. In unserem Fall sind das PP, PE, ABS und Hart-PVC (PVC-U).
Trotzdem haben wir exemplarisch unsere Tomaten, die ja eine längere Wachstumszeit haben, sowie die Nährstofflösung auf "Weichmacher in Lebensmittel" von einem Analyselabor untersuchen zu lassen. Untersucht wurden die Proben auf 25 Weichmacher mit dem Ergebnis, dass KEINE WEICHMACHER nachgewiesen werden konnten. Auch wenn wir das erwartet haben freut uns diese Bestätigung. Den Prüfbereicht dürfen wir leider nicht veröffentlichen.
Unsere Erwartungen haben sich voll erfüllt. Wir waren überrascht, wie gut und problemlos alles funktioniert hat. Der Aufwand, nachdem das ganze System am Laufen war, ist wirklich nicht mit dem Aufwand zu vergleichen, der in einem Garten anfällt. Wir mußten nicht jeden Tag gießen und mit Schnecken oder Schädlingsbefall hatten wir so gut wie keine Arbeit. Die meiste Arbeit im positiven Sinne war das Ernten und Weiterverarbeiten der Ernte. Wir können uns nur wundern, dass in Deutschland der hydroponische Anbau nicht bekannter ist. Selbst für Menschen, die einen Garten haben, macht der hydroponische Anbau Sinn - um Ressourcen zu schonen und die Arbeit zu reduzieren.
Außerdem hat sich unser Einkaufs- und Essverhalten stark verändert. Unsere Einkäufe haben sich deutlich reduziert, wir haben viel mehr Salate und Gemüse gegessen und abwechslungsreicher gekocht. Eine tolle Erfahrung!
Natürlich gibt es Menschen die sagen, Hydroponik sei unnatürlich - was auch teilweise stimmt. Aber ist der Anbau von Nutzpflanzen auf Feldern so natürlich, wenn man all die Monokulturen betrachtet - diese wurden auch künstlich von Menschen geschaffen - oder habt ihr schon mal ein sortenreines Gemüsefeld gesehen, dass sich selbst ausgepflanzt hat? Nur dass nicht in Erde sondern in Wasser angebaut wird, heißt nicht, dass es perse unnatürlicher ist. Es gibt nämlich auch viele Pflanzen die im Wasser wachsen, wie Algen, Seerosen, Reis oder Brunnenkresse.
In diesem Sinne hoffen wir, dass wir euch den hydroponischen Anbau zeigen und erklären konnten, so kann sich jeder seine eigene Meinung bilden.